#09 Schriftform und elektronische Signatur: Quo vadis?
Für gewisse Verwaltungsgeschäfte wird durch die rechtlichen Vorgaben oder aufgrund der gelebten Praxis die Schriftform vorausgesetzt. Darüber hinaus ist teilweise eine Unterschrift erforderlich. Das elektronische Pendant zur Unterschrift ist die elektronische Signatur. Wie funktioniert sie? Wie ist sie gesetzlich verankert? Ein Beitrag von Timur Acemoglu.
Timur Acemoglu ist Rechtsanwalt und berät öffentliche Gemeinwesen in Fragen des E-Government-Rechts.
Schriftlichkeitserfordernisse
Als Schriftform bezeichnet man die Überlieferung eines Textes auf Papier. Im Obligationenrecht, welches für Rechtsgeschäfte zwischen Privaten anwendbar ist, wird die schriftliche Form definiert und eine eigenhändige Unterschrift oder eine qualifizierte elektronische Signatur vorausgesetzt (Art. 13 und 14 OR).
Im Verwaltungsrecht fehlt eine solche grundsätzliche Definition der Schriftform. Hier ist das Formerfordernis der Schriftlichkeit deshalb gemäss den üblichen Regeln der Auslegung im jeweiligen Bereich festzulegen. Diese Auslegung erfolgte in der Vergangenheit häufig so, dass im Zweifelsfall bei einem Gesuch oder Antrag von einem Schriftlichkeitserfordernis ausgegangen wurde und dass diese Schriftlichkeit im Grundsatz als «Papierform mit Unterschrift» verstanden wurde.
In einem Bericht des Bundesrats zur Überprüfung der Formvorschriften im öffentlichen Recht vom 10. Juni 2022 wurden die Formvorschriften für Verwaltungsverfahren des Bundes untersucht. Im Ergebnis schlägt der sehr interessante Bericht im Wesentlichen vor:
- bei Hindernissen aufgrund von Formvorschriften den bestehenden Spielraum bei der Auslegung der Normen bestmöglich zu Gunsten der Digitalisierung zu nutzen;
- im Rahmen von Revisionen und Neuvorhaben die bestehenden Formvorschriften systematisch auf ihre Notwendigkeit und ihre digitalisierungsfreundliche Ausgestaltung zu überprüfen.
Gut zu wissen
Das Bundesamt für Justiz BJ wurde zu diesem Zweck beauftragt, bis Ende Juni 2023 ein Hilfsmittel zu erstellen, um die Departemente und die Bundeskanzlei bei den erwähnten Massnahmen zu unterstützen.
Funktionsweise der elektronischen Signatur und Gesetzliche Regelung
Wie bei der handschriftlichen Signatur geht es bei der elektronischen Signatur im Wesentlichen um die Bestätigung zweier Sachverhalte:
- Identifikation der unterzeichnenden Person (Wer hat signiert?)
- Nachvollziehbarkeit der mit der Signatur versehenen Informationen (Was wurde signiert bzw. wurden die Informationen seither verändert?)
Entsprechend wird von der Anbieterin einer digitalen Signatur ein Zertifikat ausgestellt, welches bestätigt,
- ob der bei einer Signatur verwendete Schlüssel einer bestimmten (bzw. der behaupteten) Person zugeordnet werden kann,
- und ob das Dokument seit der elektronischen Signierung verändert worden ist.
Nur «qualifizierte elektronische Signaturen», die mit einem qualifizierten Zeitstempel verbunden sind, sind im Privatrecht der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt (Art. 14 Abs. 2bis OR).
Was eine qualifizierte elektronische Signatur ist, regelt das Bundesgesetz über die elektronische Signatur (ZertES). Insbesondere muss diese von einer anerkannten Anbieterin von Zertifizierungsdiensten ausgestellt worden sein. Die der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellte Signatur steht konsequenterweise nur natürlichen Personen zur Verfügung.
Darüber hinaus besteht neben der qualifizierten elektronischen Signatur seit dem 1. Januar 2017 auch die geregelte elektronische Signatur, an welche reduzierte Anforderungen gestellt werden. Für juristische Personen und Behörden steht das geregelte elektronische Siegel zur Verfügung.